Eines muss ich vorsichtshalber mal vorab klarstellen: Wenn das Auto, insbesondere in Städten, das wichtigste Verkehrsmittel ist, ist das gesamtgesellschaftlich betrachtet die dämlichste Lösung, wenn man ehrlich ist. Einen Stadtteil autofrei zu gestalten, ist aber allein mit dieser Erkenntnis auch nicht so ohne weiteres getan.
Ich selbst kann mich noch an die Diskussionen um die Umgestaltung des Martin-Luther-Platzes erinnern und an die Sorge von Autobesitzer*innen, nicht mehr parken zu können. Dabei plädiere ich für Verständnis für Menschen, die überzeugt sind, auf ihr Auto angewiesen zu sein. Denn wenn sie keine akzeptablen Alternativen finden, um notwendige Wege zum Arbeitsplatz, zur Schule oder zur Kita zurückzulegen, kann das Fehlen des Stellplatzes auch zur sozialen Frage werden (wegen der eben benannten gesamtgesellschaftlichen Dämlichkeit, keine anderen Lösungen zu bieten). Ich würde mir wünschen, dass dieser Aspekt nicht beiseite gewischt wird.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass ein Gründerzeitviertel historisch bedingt nicht unter Berücksichtigung des Autoverkehrs angelegt worden sein kann. Da unter diesem Umstand kein individueller Anspruch auf Stellflächen im öffentlichen Straßenraum erhoben werden kann, gibt es kein objektives Kriterium dafür, ob es „zu viele“ oder „zu wenige“ Parkplätze in der Neustadt gibt. Wer sich für das Leben in der Neustadt ein Auto zulegt oder mit dem Auto herzieht, tut dies in einem Stadtviertel, in dem man Autoverkehr gar nicht vorsehen konnte. Sorry, Fakt!
Wenn wir uns auf den Weg zurück zur ursprünglichen Autofreiheit dieses Stadtviertels machen, ist mir die Beteiligung der Bürger*innen aber das Wichtigste, weil wichtige Fragen zu klären sind, die allein mit der Vorgabe „autofrei“ nicht zu beantworten sind.
Die aktuelle Diskussion läuft auf die Autofreiheit nur eines Teils der Äußeren Neustadt hinaus: Als mögliche autofreie Straßen werden die Alaunstraße, die Rothenburger und Görlitzer Straße und die Louisenstraße ausgemacht. Damit stellt sich die Frage, wohin der fließende Autoverkehr verdrängt wird. Was bedeutet das genannte Szenario also für die Prießnitzstraße, den Bischofsweg, die Bautzner und die Königsbrücker Straße? Oder gehen wir von einem noch größeren autofreien Radius aus? Auch dann gibt es immer noch eine Peripherie, deren Mehrbelastung zu verhindern wäre, denn sonst würde die Autofreiheit der einen zum Mehr an Lärm, Abgasen und Unsicherheit für die anderen. Ich glaube, die notwendige Diskussion dazu liegt erst noch vor uns.
Zwar halte ich es für zumutbar, kostenpflichtige Parkmöglichkeiten zu nutzen, die offenbar aktuell nicht ausgelastet sind (Beispiel: Parkhaus Bautzner Straße), kann aber nicht abschätzen, wie es wäre, wenn die Autofreiheit tatsächlich gilt. Mein Verdacht ist der, dass es dann an Parkmöglichkeiten an der Peripherie mangeln würde. Wir haben (z. B. im Ortsbeirat) früher über Parken an der Peripherie diskutiert, und immer hieß es, dass die Stadt ganz bestimmt kein öffentliches Parkhaus bauen würde, weil sich das nicht rechnen würde, denn die Auslastung könne nicht garantiert werden. Das war nachvollziehbar, aber jetzt wäre die Frage offen, wo man so ein Parkhaus denn tatsächlich noch bauen könnte, wenn die Äußere Neustadt wirklich autofrei würde. Beispielsweise haben wir früher die Option der Ecke Bautzner/Prießnitzstraße diskutiert, die gibt es nun nicht mehr.
Schließlich ist die Frage nach der Autofreiheit eigentlich auch die Frage, wie wir in der Neustadt leben wollen: Manche Gastronom*innen und Einzelhändler*innen befürchten vielleicht den Weltuntergang, wenn Stellflächen wegfallen, um dann später überrascht festzustellen, dass Flanierstraßen doch eher gut für‘s Geschäft sind. Ich persönlich würde allerdings nicht gerne in einer Fußgänger*innenzone leben. Und wie schließen wir aus, dass der Gewinn an Aufenthaltsqualität gentrifizierende Wirkungen nach sich zieht? „Die Neustadt bleibt dreckig“ ist vielleicht nicht zu 100 Prozent mein Ideal, aber ein bisschen dreckig sollte sie schon noch bleiben, da darf man auch fragen, wieviel Blech es dazu braucht.
Meine Utopie beschränkt sich nicht darin, ungestört von Autos auf der Straße mein Bier zu trinken, so schön das auch sein wird, sondern ich will, dass die Neustadt ein Ort für alle ist, also auch für diejenigen, die auf ihr E-Auto und ein Parkhaus mit ausreichend Lademöglichkeiten angewiesen sind. Ich bekenne mich dazu, die Bedürfnisse der Anwohner*innen erst einmal für wichtiger zu halten als die Interessen der Tourist*innen, denn sonst bleibt die Neustadt nicht die Neustadt, die auch für Gäste spannend ist. Deshalb darf (als erster kleiner Schritt) das Parken für Auswärtige gerne ein bisschen teurer sein als für Anwohner*innen.
Die notwendige Diskussion über die Zukunft oder das Ende des Autoverkehrs in der Äußeren Neustadt zu organisieren, wäre ein Unterfangen, das manche Autofreiheit-Akteur*innen vielleicht noch unterschätzen, aber ich glaube, dass sie sich schon deshalb lohnen würde, weil sie uns alle zu einem notwendigen Diskurs über Mobilität und darüber, was die Neustadt in Zukunft sein soll, zwingen würde.