Dass TikTok allein eine Erklärung für den Erfolg von Parteien ist, wird man wohl nicht ernsthaft behaupten können.
Aber die Rede Heidi Reichinneks im Deutschen Bundestag anlässlich des endgültigen Bruchs der sogenannten „Brandmauer“ durch das Manöver der Merz-CDU, mit den Stimmen der AfD-Fraktion einen Entschließungsantrag zur Migrationspolitik beschließen zu lassen, Ende Januar 2025, hat für Aufsehen gesorgt und weite Verbreitung in den sozialen Medien erzielt. Der Ruf „Auf die Barrikaden!“ wurde vielfach aufgenommen. Die Linkspartei-Linken wären schlechte Kommunist*innen, wenn sie nicht auch etwas Personenkult betrieben, und schlechte demokratische Sozialist*innen, wenn sie das ohne die Andeutung von Selbstironie täten, und so wurde ein Bild verbreitet, in dem Heidi Reichinnek in das Gemälde Delacroix‘ „Die Freiheit führt das Volk“ als ebendiese Freiheit montiert war, mit der Fahne der Antifaschistischen Aktion statt der Trikolore in der Hand und mit roten Rosen im Gewehrlauf anstelle des aufgepflanzten Bajonetts. Witzig!
Nun könnte man schon darüber irritiert sein, dass das Volk ausgerechnet aus dem Parlament hinaus zu etwas aufgefordert wird, statt dass das Volk ins Parlament hineinruft, aber das lassen wir mal als einen Nebenaspekt der Schiefheit der Bilder so stehen. Wenn man sich nämlich im Lande umguckt (ich habe freilich nicht überall nachsehen können), muss man sich fragen: Welche Barrikaden?
Ja, natürlich sind metaphorische Barrikaden gemeint. Es stehen keine Barrikaden rum, von denen man auf den Vormarsch der Reaktion feuern könnte. Nur halten die metaphorischen Barrikaden offenbar auch niemanden auf. Die AfD erstarkt und viele sind sich einig, dass somit der Faschismus naht. Er kommt aber nicht als Marsch auf Rom oder auf die Feldherrenhalle oder wie im Spanischen Bürgerkrieg. Es lässt sich kein Schützengraben ziehen und keine Barrikade gegen dieses Voranschreiten errichten. Es handelt sich auch nicht um einen Brand, den eine Mauer eindämmen könnte.
Vielleicht bedienen solche Bilder das Bedürfnis, sich selbst die Macht zuzuschreiben, durch Handlungen eine fatale Entwicklung aufhalten zu können. So wie man früher schon meinte, dass faschistische Strukturen etwas seien, das man wie mit einem Hammer „zerschlagen“ könne. So einfach scheint es aber leider nicht zu sein. Und wenn man „Alerta, alerta!“ ruft, kommt auch nicht die antifaschistische Feuerwehr aus Italien herbeigeeilt (wobei Rituale natürlich auch eine Möglichkeit sind, mit der eigenen Hilflosigkeit umzugehen).
Der erste Schritt zur Entwicklung einer Strategie ist vielleicht die Erkenntnis, dass man noch keine hat. Gegen die Bilder ist nichts zu sagen, solange sie den Blick auf diesen Umstand nicht verstellen. Ich fürchte aber sehr, dass sie genau das gerade tun.