Ein Angebot

Wahlkampfendspurt – ein Stress! Und am Infostand sagt jede/r Zweite/r: „Ich hab‘ schon gewählt.“ Lohnt es sich also noch, an dieser Stelle aufzuschreiben, was für mich als Stadtbezirksbeirat spricht?

Zum Thema „Autofreiheit“ habe ich mich ja schon geäußert (siehe letzter Blogbeitrag), das will ich an dieser Stelle mal nicht wiederholen. Ansonsten gilt, dass ich das Programm der Neustadtgrünen vertrete. Okay, vielleicht nix Besonderes! Deshalb mal noch ein paar Nuancen zu mir…

Also, zunächst mal der Hinweis, dass ich das schon mal gemacht habe. Okay, nicht ganz: Ich habe im Ortsbeirat gesessen, der nicht die gleichen Rechte wie der Stadtbezirksbeirat hatte und vor allem noch nicht direkt gewählt war. Das war von 2004 bis 2009. Damals hatten wir spannende Debatten: Die neue Ampel auf der Rothenburger/Görlitzer Straße bzw. Louisenstraße („Gaga-Ampel“ laut einer Zeitung), die Bebauung der Brache auf der Kamenzer, die Krawalle vor der Scheune, die zur Videoüberwachung und zum partiellen Alkoholverbot geführt haben – übrigens lauter Beispiele dafür, dass die Mehrheit im Ortsbeirat nicht bedeutete, dass es so kam, wie diese meinte – es kommt eben auch auf die Mehrheit im Stadtrat oder gar im Landtag (die Videoüberwachung kam vom Innenministerium) an…

Dann hatte ich mir gedacht, dass ja mal mein bisheriger Stellvertreter, Marco Joneleit, auch mal regulärer Ortsbeirat sein könnte und wir gewissermaßen tauschen, und dann hat er das ab 2009 so fleißig gemacht (ich bin immer noch sein Stellvertreter!), dass ich seitdem relativ selten an Sitzungen teilnehmen musste.

Nun denn, diese Möglichkeit der Stellvertretung gibt es künftig nicht mehr. Gewählt ist gewählt, da muss die/der Gewählte selber ran, und wenn sie/er mal nicht kann, ist das eben Pech. So wie im Stadtrat eben auch. So, und da habe ich mir gesagt: Machste der Neustadt doch einfach mal ein Angebot und kandidierste zur ersten Stadtbezirksbeiratswahl! Wobei der Hinweis erlaubt sei, dass auch besagter Marco zur Wahl steht (sind übrigens lauter gute Leute auf der Liste!).

Dafür, dass der Stadtbezirksbeirat direkt gewählt wird, habe ich mich in den vergangenen Jahren stark eingesetzt. Als Stadtvorstandssprecher von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der ich von 2016 bis 2018 war, habe ich mit dafür gesorgt, dass wir GRÜNE die ersten und entschiedensten Befürworter*innen dieser Wahl waren (bei unseren roten Kooperationspartner*innen beiderlei Konfession ging‘s unterschiedlich schnell). Weil ich nämlich finde, dass Stadtteile mit mehreren zehntausend Einwohner*innen auch selbst gewählte Vertretungen haben sollten. Die haben dann natürlich nicht die gleichen Rechte wie der Stadtrat (es bleiben BEIräte), aber sie haben eine bessere Legitimation als Vertretungen der Stadtteile gegenüber dem Stadtrat (und auch der Verwaltung).

So bin ich nämlich drauf: Auch wenn sich möglicherweise aktuell kaum jemand für diesen Stadtbezirksbeirat interessiert, soll man den Leuten doch die Möglichkeit bieten, sich eine eigene Vertretung zu wählen – übrigens haben wir auch die Möglichkeit geschaffen, dass sich neben den Parteien auch andere Listen bzw. Kandidat*innen zur Wahl stellen. Hm, hat jetzt irgendwie dann doch niemand in Anspruch genommen, aber ich wollte es nur gesagt haben: Es hätten sich theoretisch auch die Autofreien und die Autofahrer*innen, die Gastronom*innen oder die Gäste, die (Nicht)Raucher*innen, die Ohrenschützer*innen oder die Hundebesitzer*innen mit eigenen Listen zur Wahl stellen sollen – vielleicht beim nächsten Mal! Ich erläutere auf Nachfrage gerne, wie aufwendig das Amt eines Stadtbezirksbeirates ist, um etwaige Scheu zu nehmen…

Es gibt vielleicht die Hoffnung, dass die Neustadt so etwas wie das „andere Dresden“ sei. Hm, naja… Sagen wir‘s mal so: Wenigstens kommen die Neustädter*innen damit klar, wenn Du nicht in der Nachbarschaft geboren worden bist, aber dann gibt‘s doch schon die Neigung bei vielen, zu wissen zu meinen, was „die“ Neustadt sei und was nicht. Jaja, wir sind ja alle bunt und so, aber sind wir wirklich immer so unborniert, wie wir glauben? Ich gehe da mit Skepsis ran und der Haltung „audiatur et altera pars“. Wenn z. B. die Vertreter*innen der „Kneipenkultur“ und der „Spätshopkultur“ (uiuiui!) aufeinanderprallen, dann sage ich (durchaus ein Freund des Genusses geistiger Getränke) mir erst mal: Moooment! Mal abgesehen davon, dass ich nicht so dafür bin, alles gleich mit dem Begriff der „Kultur“ zu belegen, meine ich: Kneipen gehören zur Neustadt (manche sind allerdings kultivierter als andere), Spätis aber auch, oder so gesagt: Das empfinde ich als Anwohner als spezifischen Vorteil, dieses Angebot zu haben. So, und ich verliere weiterhin nicht die Geduld, griesgrämigen Gastwirten immer wieder zu erklären, dass die 2007 in Kraft getretene „Polizeiverordnung über das Verbot der Alkoholabgabe an jedermann über die Straße durch Schank- und Speisewirtschaften in der Äußeren Neustadt“ eben kein „Anti-Späti-Gesetz“ war, das man beliebig hätte verlängern können, sondern eben genau das, was der Titel besagte, und dass das Polizeigesetz in § 16 regelt: „Polizeiverordnungen treten spätestens zehn Jahre nach ihrem In-Kraft-Treten außer Kraft.“ Hui, na sowas! Was es dann aber auch ein bisschen lächerlich macht, wenn ein Stadtratskandidat als seinen Erfolg die „Aufhebung der Neustadtprohibition“ verkauft, die dank Stadtratsmehrheit nicht erst (automatisch) 2017, sondern (wow!) schon 2016 erfolgte. Wobei ich finde, dass auch meine eigene Partei ein bisschen zuviel Gewese darum gemacht hat… Ich fand es auch nicht hilfreich, ein Alkoholabgabeverbot („über die Straße“) für den Zeitraum von der Nacht von Freitag auf Samstag und der Nacht von Samstag auf Sonntag zwischen 22:00 Uhr und 05:00 als „Neustadtprohibition“zu bezeichnen. Sowas ist nicht gut für die Debatte! Nicht mein Stil und nicht der Stil, den ich in den Stadtbezirksbeirat tragen würde, auch wenn ich dieses Verbot auch nervig fand, denn wenn ich während meiner samstagabendlichen Lektüre Bierdurst bekomme, nichts im Hause habe, die Lektüre aber fortsetzen möchte, dann setze ich mich ja nicht in die Kneipe, und mir dort ein Glas zum Mitnehmen geben zu lassen (Lieblingswirte in Stammkneipen sind ja manchmal bereit dazu), wäre ja keine Option gewesen – siehe Titel der Polizeiverordnung! Gecheckt? Gut! So, dass Spätis aber vielleicht auch mal Verantwortung übernehmen können, steht weiterhin im Raum, und ich muss gerade an eine Formulierung denken, die man neulich desöfteren anlässlich des Todes Wiglaf Drostes lesen konnte, der sie mit Bezug auf Kreuzberg geprägt hat: „Arschgeigentum, das nichts mit Freiheit, aber viel mit Rücksichtslosigkeit zu tun hat“. Kann man auch in der Dresdner Neustadt beobachten, und so schön es sein mag, auf der Straße sitzend sein Bier trinken zu können – eine kulturelle Höchstleistung sehe ich darin auch wieder nicht.

Also, kein Kampf der Kulturen, sondern Abwägung unterschiedlicher Interessen als Prinzip. Jede*r trägt so seine „Kultur“ in sich und den eigenen Neustadtmythos – jeder irgendwie legitim, aber keiner alleingültig. Ich hänge beispielsweise keiner Mystifizierung der BRN an, schwafle nicht über ihr vermeintliches eigentliches Wesen, nehme hin, dass sie nie mehr sein kann, was sie mal gewesen ist, halte es aber mit dem Grundsatz, dass es darum geht, viel Verschiedenes möglich zu machen. Das Inselkonzept ist da hilfreich, eine Satzung könnte es vielleicht sein. Am wichtigsten ist es aber, dass alles klappt, was klappen muss, und dass man da schlicht und einfach der Verwaltung auf die Finger gucken muss, haben die letzten Jahre gezeigt (ja, kann schon sein, dass einige da die BRN ganz grundsätzlich nicht mögen).

Und bitte auch keine Idealisierung der Neustadt! Bei dem ganzen „Alles so schön bunt hier“ ist wohl noch nicht allen klar, dass dieser Stadtteil auch nicht ganz rassismusfrei ist. Bei dem Thema bin ich übrigens ziemlich humorlos.

Okay, ich gebe zu, dass ich das hier gerade im Endspurt so runtertippe und dieser Text kein wohlgesetzter Essay ist, deshalb versuche ich mal zum Ende zu kommen…

Ich bin GRÜNER, weil mir der Erhalt unserer Lebensgrundlagen wichtig ist und die Freiheit am Herzen liegt, wobei ich Freiheit nicht mit Verantwortungslosigkeit verwechsle. Erhalt unserer Lebensgrundlagen bedeutet lokal konkret z. B., nach mehr Möglichkeiten für mehr Grün zu suchen (schwierig!) und Alternativen zum Auto zu schaffen (siehe letzter Beitrag im Blog). Dafür wird man Menschen überzeugen müssen – das setzt aber voraus, so meine ich, sie in ihren Bedürfnissen erst einmal zu hören und zu verstehen.

Meine Kandidatur ist ein Angebot. Wir haben auf der Liste Menschen, die ich unbedingt im nächsten Stadtbezirksbeirat sehen will (die stehen oben). Ich könnte sie vielleicht ganz gut ergänzen. Ich kandidiere ganz bewusst auf dem letzten Platz der GRÜNEN Liste zur Stadtbezirksbeiratswahl, weil ich einerseits nicht ganz oben stehen muss, andererseits dort unten auch gut zu finden bin – und damit ist das Wichtigste auch schon gesagt. Unabhängig davon, was Ihr mit Euren (insgesamt sieben) Stimmen zur Europa- zur Stadtrats- und zur Stadtbezirksbeiratswahl macht: Hauptsache GRÜN!

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