(so könnte man vielleicht ein Periodikum nennen)
Wenn es so etwas wie einen politischen Diskurs auf der Welt, in Europa, in Deutschland oder in Sachsen gibt, so muss man konstatieren, dass er gerade kränkelt.
Also, wenn man unter „politischer Diskurs“ das Reden über politische Inhalte versteht. Zwei einander bedingende Aspekte scheinen mir für die Krise ausschlaggebend zu sein: Metapolitik und Personalisierung.
Natürlich hat das auch was mit Medien zu tun und damit, dass Politik medienfixiert ist, d. h. wenn die Medien verblöden, verblödet auch die Politik – ich weiß nicht, ob das ein Zwang ist, aber es scheint so zu sein.
Dummerweise haben die erleichterten Möglichkeiten des modernen Individuums, seine Kommentare ins Internet zu werfen, nicht zur Eröffnung eines neuen Diskursraums, den man guten Gewissens so bezeichnen könnte, geführt. Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, zu erörtern, was da wohl schiefgelaufen ist.
Die Zerstörung des politischen Diskurses illustriere ich anhand sächsischer Beispiele, weil das das Einfachste ist. Medien präsentieren die immer gleichen Leute, die immer wieder das Gleiche erzählen. Beispielsweise Frank Richter, der schon immer der Klügste war und dem wir ständig beim Klügerwerden zusehen können. Wie Manna nimmt seine Anhängerschar die breitgewalzte Weisheit auf, dass alle mit allen ständig über alles reden müssen. Dass er für ein Amt kandidieren will, weiß er schon, bevor er weiß, was er darin machen möchte. Erst Kandidatur ankündigen und auf die Frage nach den Inhalten antworten, dass man sich erstmal ein Bild machen muss. Wie pragmatisch! Wie unideologisch! Wie überparteilich! Dann herausfinden, dass die AfD ja doch böse ist, weil sie einem ja die Wahl vermasselt hat, und sich beklagen, dass der Amtsinhaber mit denen über Bande gespielt habe – das nachdem er jahrelang erzählt hat, dass man mit ihnen reden müsse, und er Pegida in die Landeszentrale für politische Bildung geholt hat (was uns einen Eindruck vermittelt, was passieren kann, wenn Frank Richter für eine Institution Verantwortung trägt). Wenn er kein Oberbürgermeister wird, wird er eben Landtagsabgeordneter – und das ist voll die Meldung! Programm – wozu? Anscheinend gibt es ein allgemeines Bedürfnis, dass man sich im Landtag statt über Bildung, Polizei, Klimaschutz, Verkehr oder ähnlichen Blödsinn endlich mal über die brennende Frage des Einander-Zuhörens berät. Nicht politische Fragen sollen besprochen werden, sondern metapolitische. Die Metapolitik wird personalisiert, die Person sorgt dafür, dass die Metapolitik die Politik verdrängt.
Frau Buchhändlerin Susanne Dagen kooperiert eng mit dem Antaios-Verlag von Götz Kubitschek, der erklärtermaßen den „Diskurs als Konsensform“ beenden und den Riss in der Gesellschaft vertiefen will – kann man ja machen, aber dann soll man sich nicht wundern, wenn man nicht mehr von allen Seiten die Gegenliebe bekommt, die man offenbar braucht. In Dresden ist es en vogue, sich durch rechtes Engagement interessant zu machen. Das sehe ich übrigens entspannter als andere, denn verboten ist das nicht – es ist vielmehr ziemlich langweilig, denn dass Frau Dagen ausgerechnet dadurch interessant wird, dass sie als Quoten-Ossi im Kuratorium der AfD-nahen Stiftung sitzt, war ja nicht zu erwarten. Identität ist ja kurioserweise etwas, was man hat oder eben nicht hat, was man aber nicht herbeiquatschen kann. Das Ostidentitätsgequatsche ist also ein Zeichen dafür, dass etwas mächtig schiefgegangen ist – warum ausgerechnet die wessi-dominierte AfD das wieder geraderücken können soll, weiß niemand. Vielleicht ist das ja auch Frau Dagen aufgefallen, die eben nicht für die AfD, sondern für die Freien Wähler in den Dresdner Stadtrat einziehen will. Was sie da will, wissen wir noch nicht, aber die Ankündigung ist schon mal einen Dreispalter plus Kommentar wert. Es wird ja auch Zeit, dass der Stadtrat sich nicht immer nur mit Straßen, Bebauungsplänen, Wohnungspolitik und ähnlichem Scheiß befasst, sondern auch mal darüber diskutiert, wie fremd im eigenen Land wir uns fühlen usw. – eben die großen, die metapolitischen Fragen, für die Frau Dagen so steht. Wobei ein konkretes lokales Ziel hat Frau Dagen als frischgebackene Freie Wählerin ja schon: Die Wiedereröffnung des Dresdner Fernsehturms, was irgendwie zur gesellschaftlichen Versöhnung führen soll, wie der führende sächsische Mentalitätenerklärer Uwe Steimle zu erklären weiß. Versöhnung ist natürlich ein teures Gut, da sollte man die Millionen natürlich in den Fernsehturm statt in solchen Quatsch wie Schulsanierungen stecken. Frau Dagen hat ja auch schon die Einschätzung abgegeben, dass ein Buch mit alten Dresdner Fernsehturmerlebnissen reüssieren könnte. Ich hätte einen Titelvorschlag: „Der Turm. Mit einem Vorwort von Uwe Tellkamp“ (kleiner Kalauer, höhö!). Jeden Sonntag Lesung mit Signaturstunde im Fernsehturmcafé – Anreisende nutzen bitte die Parkplätze vor dem Buchhaus Loschwitz und nehmen dann den Shuttle durch den Gesinnungskorridor Richtung Wachwitz.
Vielleicht könnte ich ein Spiel spielen und eine Strichliste führen: Das Zeitungsabonnenement wird gekündigt, nachdem ich JEWEILS zehnmal die Namen Frank Richter, Uwe Tellkamp, Susanne Dagen und Uwe Steimle in im Blatt gelesen habe. Weil’s dann einfach mal reicht. Denn das würde bedeuten, dass man mittlerweile vierzigmal darauf verzichtet hat, über was Interessanteres zu berichten. Stattdessen vierzigmal das Gejammer von sich ausgegrenzt Fühlenden, die ihre Identität über die Ausgrenzung anderer definieren. Wer mich ad nauseam, wie wir Rhetoriker sagen, mit diesem Mist behelligt, soll sich nicht wundern, wenn ich ihm dann irgendwann vor die Füße vomitieren muss.
Aber die obigen Anmerkungen sollten ja nur zwei sächsische Beispiele unterschiedlicher Couleur (welcher auch immer!) für meine These, dass die personalisierte Metapolitik den politischen Diskurs verdrängt, beschreiben. Es lassen sich sicher noch viele andere Beispiele von anderswo finden. Wenn mal wer weiß, wohin der politische Diskurs sich geflüchtet hat: Hinweis bitte (ausschließlich) brieflich an mich!