Juli 2024

Ein paar unzusammenhängende Bemerkungen zu den zurückliegenden Kommunal- und Europawahlen

I

Ich danke allen, die mich gewählt haben. Auch wenn ich weit davon entfernt blieb, ein Mandat zu erringen, bedeutet mir das wirklich was!

II

Es hilft ja nichts zu jammern, dass der Bundestrend durchschlägt, auch wenn es eigentlich um Europa oder die Gemeinde geht. Als GRÜNE haben wir jeden Grund, unsere Politik im Bund kritisch zu reflektieren.

III

Wahlniederlagen ergeben sich aus mehreren Gründen.
Da sind erst einmal die realen Gründe: Man muss gucken, welche politischen Fehler man gemacht hat. Dass beispielsweise die Sache mit dem Heizungsgesetz richtig verbockt wurde, muss an dieser Stelle nicht auch noch vertieft werden, aber über solche Themen müssen wir reden.
Es kann aber auch nicht länger angehen, die Ampel zu verklären. Diese Koalition zu wagen, war die richtige Entscheidung. In diesem Blog kann man nachlesen, dass meine Zustimmung als Basismitglied dazu auch mit Skepsis verbunden war. Die Skepsis sehe ich mittlerweile als bestätigt an.

IV

Jenseits der realen Unzufriedenheit tragen auch schlechte Wahlkampagnen zu Wahlniederlagen bei.
Wahlkampagnen sind insbesondere dann schlecht, wenn diejenigen, die sie verantworten, ein falsches Bild vom Stellenwert der Partei in der Gesellschaft haben. Ein besseres Bild davon hätte man mittlerweile haben können, wenn die verkorkste Wahlkampagne von 2021 aufgearbeitet worden wäre. Das ist leider nicht geschehen. Sonst hätte man das Missverständnis, das damals schon im Motto „Bereit, weil Ihr es seid“ zum Ausdruck kam, nicht aufrechterhalten müssen. Die Vorstellung, dass die Mehrheitsgesellschaft quasi nur darauf gewartet hat, von uns regiert zu werden, war falsch. Ja, ich Klugscheißer habe das auch schon 2021 in meinen Blog geschrieben. Genauso wie die Beobachtung, dass wir nicht einfach davon ausgehen können, die Erstwähler*innen auf unserer Seite zu haben (damals gab es dort schon einen hohen FDP-Anteil, jetzt sieht’s noch schlechter aus).
Diskussionen über Kanzlerkandidaturen sollten aktuell in der Priorität zurückgestellt werden.

V

Die fortgesetzte merkwürdige Selbstwahrnehmung führte zu Großflächenplakaten, auf denen Terry Reintke zu sehen war (ja, sie war unsere Spitzenkandidatin, aber hielt man sie wirklich für so bekannt?) und irgendwas mit „Deutschland“, „Sicherheit“ und „Europa“ zu lesen stand. Das hätte in den 1980er Jahren zu einem CDU-Plakat mit Helmut Kohl drauf gut gepasst. Problem: Wir sind nicht die Helmut-Kohl-CDU aus den 80er Jahren. Übrigens: Keine Partei, nicht einmal die CDU, ist heute die Helmut-Kohl-CDU aus den 80er Jahren.

VI

In sozialen Medien, insbesondere bei den Kurznachrichtendiensten, kann man regelmäßig Progressive vom Aktionismus ins Lamento („Alles Rassist*innen!“) kippen sehen. Ihre „Analysen“ sind politisch wertlos – selbst wenn sie recht hätten, bleibt es dabei, dass man in Demokratien nicht dauerhaft Politik gegen die Bevölkerung machen kann. Man müsste wieder in einen Modus finden wollen, Mehrheiten für progressive Politik zu finden (also den Klugscheißerhabitus, den in Dresden beispielsweise Gruppen wie die „Dissident*innen“ personifizieren, überwinden). Könnte natürlich bedeuten, dass man sich der Sorgen von Menschen, die man eigentlich nicht so sympathisch findet, annehmen muss. Das wollen sich manche einfach nicht zumuten.
Von Bruno Kreisky wird die Aussage überliefert, man müsse die Leute gern haben, wenn man in die Politik geht. Bruno Kreisky! Der hätte auch genug Grund gehabt, die Leute nicht gern zu haben! Darüber sollten einige Linke mal nachdenken.

VII

Nach Dresden: Ich persönlich glaube ja nicht, dass wir als Dresdner GRÜNE es wirklich geschafft haben, in den letzten Jahren aktiv und strategisch Themen zu setzen. Fraktion und Stadtverband sollten sich mal überlegen, wie man sowas in Zukunft macht.

VIII

Der Trend zu den Kleinparteien wurde natürlich dadurch stark begünstigt, dass weder bei der Europawahl, noch bei der Kommunalwahl eine Fünf-Prozent-Hürde besteht.
Die Piraten hatten in der Neustadt mit der Vorstellung einer Sanierung der Königsbrücker Straße „im Bestand“ ein Alleinstellungsmerkmal. Wir können dem nicht folgen und wahrscheinlich haben wir unsere Position nicht entschieden genug vertreten, um mehr Menschen davon zu überzeugen. Wobei es allerdings auch die meisten Menschen in Dresden und in der Neustadt sind, die den Piraten hier nicht folgen, das sollte man auch nicht übersehen.
Der Achtungserfolg von Volt bedeutet insofern eine Denksportaufgabe, als dass ich bislang noch keine wesentlichen Unterschiede in der Programmatik erkennen konnte (Differenzen in der Bewertung von Kernenergie halte ich für kommunalpolitisch weniger relevant). Wenn wir aber in weiten Teilen eine identische Agenda haben, die in wichtigen Teilen – Stichwort: Klimaschutz – zeitlich drängt, dann müssen wir darüber nachdenken, wie wir diese möglichst schnell gesellschaftlich mehrheitsfäig machen. Vielleicht können wir uns da auch ergänzen. Ich weiß es nicht. Wie gesagt: Denksportaufgabe.

IX

Vor ein paar Jahren wurde in den Sozialen Medien ein Video geteilt, meist mit Bemerkungen mit dem Tenor, wie gut Maja Göpel die Sache auf den Punkt gebracht habe. Es war ein Ausschnitt aus einer Pressekonferenz von „Scientists for Future“ und das verbreitete Zitat begann mit den Worten „Die Irreversibilität der Veränderung ökologischer Systeme in ihrer Regeneration ist, glaube ich, einfach noch nicht begriffen worden“.
Nun ja, das ist natürlich tatsächlich sehr gut auf den Punkt gebracht und Wissenschaftler*innen müssen so reden, aber das ist natürlich auch eine Sprache, die für die übergroße Mehrheit der Menschen zu sperrig ist. Die Sprecherin ist also nicht zu kritisieren, sondern zu fragen, was sich diejenigen versprachen, die das Video massenhaft geteilt haben.
Ich bezweifle, dass die von Menschen verursachte Erwärmung der Erdatmosphäre tatsächlich von der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung verstanden worden ist, weil ich bezweifle, dass es ihr gut erklärt wird. Es gibt einen kleinen Bevölkerungsanteil, der meint, dass doch alles klar sein müsse, weil der Konsens der Wissenschaft so eindeutig sei usw. usf. Und dann meint man, dass es nur noch darum gehe, die Dramatik der Entwicklung zu betonen. Und genau das führt dazu, dass die weniger gut Informierten das als „Panikmache“ wahrnehmen. Hier müssen die Klimaschützer*innen besser werden! Und hier müssen wir als GRÜNE besser werden! Insbesondere müssen wir beharrlich verdeutlichen, dass der Klimawandel die größte Gefährdung des Wohlstands ist.

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